„Dem Einen entgegen“ - "Toward the One"
Diese in viele Sprachen übersetzte Invokation (wörtlich: „Hereinrufung“, wobei das Hereinrufen von segensreichen Kräften
gemeint ist) steht oft am Anfang gemeinsamer Aktivitäten auf dem Weg des universellen Sufismus und wird auch in die individuelle spirituelle Praxis einbezogen. Sie lässt viel Raum für eigene
Erfahrung und Vertiefung, und durch tiefe Auseinandersetzung damit und das Immer-wieder-Praktizieren haben viele Menschen Einsichten in die Bedeutung der Invokation in Worte fassen können, die
wiederum eine Bereicherung für andere geworden ist.
Muiz Brinkerhoff schreibt dazu:
„Viele der Weltreligionen kennzeichnen eine bestimmte Richtung, auf die man während des Gebets körperlich ausgerichtet sein sollte, und manche bringen sogar den Altar und das Gebetshaus damit in
Einklang.
Christliche Kirchen waren traditionell so konstruiert, dass die Längsachse nach Osten und Westen ausgerichtet war, wobei der Altar an das östliche Ende gestellt wurde, so dass die Betenden während
des Gottesdienstes nach Osten schauten. Muslime in der ganzen Welt richten sich während der Gebete körperlich so aus, dass sie auf dem kürzesten Weg in Richtung der Kaaba in der Mitte der Moschee in
Mekka schauen, und diese Richtung wird in allen Moscheen durch dieQibla (Wandnische) angezeigt. In anderen Traditionen wird der Altar in die Mitte eines Kreises gestellt.
Sich orientieren, genau wissen, wo man in diesem Augenblick ist, das ist ausschlaggebend für jede Reise – körperlich oder spirituell, denn: Wie könnte man anfangen, ohne jede Hoffnung auf Erfolg, ohne zu wissen, wo man ist und in welche Richtung man sich in Bewegung setzen muss?
Statt zu empfehlen, den Körper während Gebet oder Gottesdienst auf eine bestimmte Richtung im
Außen auszurichten, auf einen physischen Altar oder eine Wandnische (qibla) , gab Hazrat Inayat Khan seinen Schülern und Schülerinnen diese Invokation.
Die Einstellung der Sufis ist, dass Gott/ Göttin/die Quelle wahrlich alles ist, das IST, und auch, dass alle Schöpfung und jede Erfahrung nichts als ein Schleier über dieser absoluten Wahrheit sind.
Hat man einmal erkannt, dass diese fundamentale Wahrheit unter und hinter jeder Erfahrung steht, dann wird jede Richtung und jede Orientierung 'geweiht' und 'heilig', und die wichtigste Ausrichtung geschieht im Inneren, auf diese Einheit hin, um die Schleier zu durchdringen, die das
Gesicht des/der Geliebten verhüllen.
Daher beginnen wir, indem wir uns selbst, unser ganzes Wesen, innerlich und äußerlich ausrichten – dem Einen entgegen."
Oftmals steht die Invokation auch am Anfang, wenn die Friedenstänze oder Gesänge aus dem ganzen Weisheitsschatz der Menschheit praktiziert werden. Dies ist eine gute Einstimmung und Vorbereitung für Gruppen, zumal sie vielen Menschen bekannt, in aller Welt verbreitet und in viele Sprachen übersetzt ist. Hier kann natürlich auch eine andere kurze Übung, Konzentration oder Einstimmung gewählt werden, die gleichermaßen universell ist und in kraftvoller Weise die eigene Gegenwärtigkeit stärkt, Einzelne mit der Gemeinschaft verbindet und hilft, sich in diesem Augenblick auf die höchsten Werte, Ziele und Ideale im eigenen Herzen – welche auch immer es sein mögen – zu besinnen.
Jamila
W.M. Pape
Dem Einen entgegen
Der Vollkommenheit der Liebe,
der Harmonie und der Schönheit,
dem einzig Seienden,
vereint mit all den erleuchteten Seelen,
die den Meister/ die Meisterin,
den Geist der Führung, verkörpern.
Hazrat Inayat Khan